Wer sich mit den Themen China und Werbung befasst oder Waren in China verkaufen möchte sollte dieses Buch gelesen haben. Ein Zeitreise in das Jahr 1935. Shanghai 1935! Die erste Amerikanische Werbeagentur wird gegründet.
Carl Crow heisst der Gründer dieser Werbeagentur in Shanghai und beschreibt seine Erlebnisse in einem Buch, welches noch heute in vielerlei Hinsicht wertvolle Einblicke in die unterschiedlichen Mentalitäten aus Ost und West gibt.
Lesetipp: China und Werbung – Auszüge
Als ich meine Reklameagentur erst seit einigen Monaten geführt hatte, sagte ein Kunde, ein Fabrikant, der sich nach Absatzgebieten in China umsah, zu mir: „Die Chinesen kaufen wohl alles, vorausgesetzt, da der Preis nieder genug ist.“ Dies ist eine Anschauung, die man sehr oft findet, sogar bei Fremden, die in China leben und daher besser Bescheid wissen sollten. Übrigens erinnere ich mich, daß ich damals die Meinung dieses Fabrikanten teilte. Es ist leicht verständlich, wie man zu einem solchen Schluß kommen kann.
Niemand freut sich mehr über einen billigen Kauf als der Chinese, niemand wird sich mehr Mühe geben und inbrünstiger feilschen, um einen solchen Kauf abschließen zu können, andererseits aber wird niemand dickköpfiger und erfolgreicher einem jeden Versuch Widerstand leisten, ihm irgend etwas zu verkaufen, das er nicht braucht, wie immer der Preis sein mag. Bloße Billigkeit genügt nicht, ihn zu einer Änderung seines Geschmackes oder zu einem Aufgeben seiner Vorurteile zu bewegen.
Die Chinesen haben nicht nur sehr genau bestimmte Ideen von dem, was sie mögen oder nicht mögen, sondern sie sind auch, sobald sie sich einmal an eine gewisse Sorte einer Ware gewöhnt haben – mag dies nun Tabak, Seife oder Zahnpasta sein -, die treuesten Kunden der Welt und leisten einer Marke mit einer Einmütigkeit und Hingebung Gefolgschaft, die die Fabrikanten zu Tränen rühren müßten.
Wegen der Treue, die die Chinesen einer Marke entgegenbringen, und wegen ihres Argwohns gegen jede Veränderung sind die Fabrikanten so wenig geneigt, bei Verpackungen auch nur die geringsten Änderungen durchzuführen. Obwohl die Chinesen einer bereits verbreiteten Warenmarke Anhängerschaft leisten, scheinen sie doch ständige Furcht zu hegen, daß der Fabrikant diese Anhängerschaft ausnutzen und ihnen minderwertige Ware andrehen oder daß irgend jemand sie mit einer gut nachgemachten Packung täuschen könnte. Daher erweckt die geringste Veränderung ihren Verdacht und hat zur Folge, daß sie die Ware nunmehr ablehnen. Wie rasch ein Chinese eine solche Veränderung einer Packung oder eines Etiketts bemerkt, und mag sie noch so klein sein und den Wortlaut eines Textes betreffen, den er gar nicht lesen kann, ist erstaunlich
Man möchte doch glauben, daß bei einem so allgemeinen Handelsartikel, wie bei einer Nähnadel, die Verkaufsmethoden ebenso wie der Artikel selbst überall auf Erden die gleichen sein müßten, aber in China ist das anders. Hätte ich dies vor ein paar Jahren gewußt, hätte ich einem meiner Klienten denVerlust einer großen Summe erspart und ihm nicht dabei geholfen, dieses Geld zu verschleudern. Dieser Klient suchte nach einem billigen Artikel, den er als Prämie weggeben konnte, um auf einem Gebiet, wo die Konkurrenz bedrohlich wurde, den Verkauf zu heben. Diese Prämie mußte, um ihren Zweck erfüllen zu können, gewissen Bedingungen entsprechen. Es hatte sich hier um eine Ware zu handeln, nach der allgemeine Nachfrage bestand, die wohlfeil war, klein, leicht transportierbar und nicht dem Verderben ausgesetzt. Ich war damals der Meinung, daß dies schwer, wenn nicht unmöglich durchzuführen sei, aber wir taten unser Bestes, und ich verbrachte einige heiße Nachmittage mit dem Durchstöbern chinesischer Warenhäuser, wo ich mir eine Anregung holen wollte. Ich war schon im Begriff, die Sache aufzugeben, als ein Schiffsladungsmakler in mein Büro kam. Er war ein dummer Kerl, sonst hätte er gewußt, daß ein Reklamebüro nicht der richtige Marktplatz für verschiedene Ladungen ist, die irgendeinem Importeur an Hand geblieben sind und die er zu niederem Preis losschlagen möchte. Offenbar wanderte er von Büro zu Büro. Ich glaube, viele dumme Kaufleute tun dies und machen auf solche Art eine Menge Geschäfte, die den tüchtigen Kaufleuten entgehen, weil sie zu tüchtig sind, ihre Zeit für unmögliche Dinge zu verwenden.
Dies erwies sich als ein Glückstag für den dummen Kaufmann, denn er handelte mit Nadeln, einem großen Posten schöner deutscher Nadeln, die aus irgendeinem Grunde zu lächerlichen Preisen verkauft wurden. Ich habe vergessen, warum, aber jedenfalls hat er mir ja den wirklichen Grund nicht gesagt. Doch immerhin war der Preis verlockend. Ich tat mein Bestes, die nötige Kühle zu zeigen, während ich mir alle Einzelheiten notierte und ein paar Musterpakete an mich nahm, doch sobald der Makler außer Sehweite war, ging ich zu meinem Klienten. Er war ebenso wie ich der Meinung, daß das Problem der Zugabe gelöst sei. Die Packung, zwölf Nadeln in verschiedenen Größen, entsprach allen theoretischen Anforderungen. Diese Ware war kostbar für den Armen, annehmbar für den Reichen und nützlich in jedem Haushalt. Der geforderte Preis war nieder, und als der schottische Verkaufsagent meines Kunden die Verhandlungen abgeschlossen hatte, war er natürlich noch niederer geworden. Die Schiffsladung Nadeln wechselte ihren Eigentümer.
Sobald die Zugaben angekündigt und dem Publikum angeboten wurden, begann ich, einiges über Nadeln zu lernen. Die einzigen Nadeln, die ich je gesehen hatte, waren ebenso wie diese in Heftchen zu zwölf Stück in verschiedenen Größen verpackt gewesen. Mein Klient, der großmütig genug war, die Verantwortung für den albernen Mißgriff, in den ich ihn getrieben hatte, mit mir zu teilen, war derselben Ansicht. Da keiner von uns beiden je etwas anderes gesehen hatte als Nadeln in solchen Packungen, waren wir der Ansicht, daß es gar nicht anders möglich sei. In den meisten anderen Ländern, ja, soweit ich weiß, in allen anderen Ländern werden Nadeln nur so verkauft, und keine Frau, die bei ihrem Einkauf eine solche Packung als Zugabe erhält, würde sich die Mühe nehmen, das Päckchen zu öffnen, um nachzusehen, ob alle zwölf Nadeln darin seien. Anders in China. Es gibt ein altes Sprichwort, einem geschenkten Gaul dürfe man nicht ins Maul schauen, aber die Chinesinnen scheinen davon nichts zu wissen, und selbst wenn sie den Ausspruch kennen, vergessen sie ihn gewiß, wenn sie die freudigen Erregungen einer Einkaufsexpedition auskosten. Da sehen sie ihm nicht nur ins Maul und zählen seine Zähne, sondern sie wägen ihn ab und messen ihn und versuchen den Wert seines Felles abzuschätzen. Die chinesische Käuferin will nichts riskieren. Wenn sie ein Stück Tuch kauft, beurteilt sie die Qualität nicht so wie die unvorsichtigen Frauen anderer Länder, indem sie ein Ende des Ballens prüft. Sie mißt das Stück ab, das sie braucht, und geht es dann Zoll für Zoll durch, um zu sehen, ob die Qualität durchwegs die gleiche ist.
Und das tat sie auch mit unseren Nadeln. Zuerst öffnete sie die Packung, um sich zu überzeugen, daß auch wirklich zwölf Stück darin seien. Sie fand, daß die Zahl stimmte, aber die zwölf Nadeln waren von verschiedenen Größen, und sie brauchte doch nur ein Format. Hier lag also irgendein Trick verborgen. Irgendein teuflischer Versuch der Fremden, ihr ein Dutzend Nadeln anzuhängen, von dem offenbar elf zu klein oder zu groß waren, um praktisch von Nutzen zu sein. Sie appellierte an den unglücklichen Verkäufer, er möge seine Ehrenhaftigkeit beweisen und ihr die Packung gegen zwölf Nadeln des von ihr gewünschten Formates austauschen. Natürlich ging das nicht, und wir verloten einen Kunden, statt einen zu gewinnen. Dies wiederholte sich jedesmal, wenn die Packung als Zugabe gegeben wurde, und schließlich wollten die gepeinigten Ladenbesitzer von der Zugabe nichts mehr wissen. Die Nadeln wurden bald ein höchst unbeliebtes Gesprächsthema zwischen meinem Klienten und mir. Ich habe ihn nie gefragt, was er schließlich damit begann, aber ich weiß nur, daß ich erleichtert war, als ich nichts mehr von der Sache hörte.
In China werden ungefähr zweitausend Millionen Nadeln alljährlich verkauft. Da jedermann, reich wie arm, Nadeln verwendet und da in China keine Nadeln erzeugt werden, liefert uns der jährliche Verkauf dieses Artikels einige interessante statistische Vergleichspunkte. Wenn wir annehmen, daß alle Frauen, die über fünf oder sechs Jahre alt sind, den größten Teil ihrer Zeit mit Nähen verbringen, eine Annahme, die nach meiner Meinung mehr zutrifft als die meisten statistischen Zahlen über China, sehen wir, dank einer einfachen Rechnung, daß der Verbrauch von Nadeln ungefähr ein Stück pro Kopf und Monat beträgt, was ungefähr stimmt. Eine kleinere Zahl stünde nicht im Einklang mit den Millionen von Hemden, Röcken und anderen Kleidungsstücken, und eine größere Zahl wiese auf eine Nachlässigkeit bei der Verwendung oder auf eine Vergeudung beim Einkauf hin, deren sich keine einzige Chinesin jemals schuldig machen würde. Die Nadeln werden nicht in Packungen gekauft, sondern stückweise oder höchstens drei bis vier Stück zugleich. Jede Käuferin weiß, was für eine Größe sie haben will, und keine andere Nadel ist für sie von Weit. Die Nadeln, die zumeist in Japan oder Deutschland erzeugt werden, werden nicht in Packungen nach verschiedenen Größen verkauft. Jede Packung enthält Nadeln gleicher Größe. Darum hatten wir auch Pech mit unserem Plan einer Zugabe. Einer Chinesin eine Packung von zwölf verschiedenen Nadeln anzubieten, war ungefähr dasselbe, als hätte man ihr ein Dutzend Paar Schuhe verschiedener Größen gegeben. Da nur ein Paar ihr gepaßt hätte, wäre sie den anderen elf Paaren gegenüber gleichgültig geblieben. Das war auch der Grund, warum wir die Nadeln zu einem so niederen Preis hatten kaufen können. Ein deutscher Fabrikant, der den chinesischen Markt erobern wollte, hatte sie in solchen Packungen nach China verfrachtet, und sie waren unanbringlich gewesen.
Das Englische Original kann man bei Amazon bestellen. Oder hier in die Deutsche Übersetzung eintauchen (eine PDF Datei öffnet sich). Viel Spaß bei der Lektüre !
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